Stell dir vor du sitzt nichts ahnend abends auf der Couch und plötzlich schickt dir ein Kumpel, ein gewisser Roland Schüren aus Hilden, ein Foto. Ganz unschuldig per WhatsApp. Erst ein Bild von einem Tesla Interieur mit einem Hund. Ich dachte noch naiv, oh, Roland hat einen neuen Hund der in seinem Model 3 sitzt. Dann kommt ein zweites Bild, ein amerikanischer Tesla Ladeanschluss an einem roten Auto. Da bekam ich eine leichte Gänsehaut, ein Importauto? Das Model 3 konnte es nicht sein, das ist seit über einem Jahr in Deutschland auf dem Markt. Er wird doch wohl nicht…?!
Dann brechen alle Dämme, eine Bilderflut von einem roten Tesla Model Y stürmen mein WhatsApp. Roland hat – mal wieder – am Ladepark Kreuz Hilden als allererster ein neues Fahrzeugmodell zum Ladetest zu Besuch. Wahnsinn, ein aus den Staaten importiertes Fahrzeug mit nahezu Vollausstattung in der sportlichen Performance Variante! Meine Gänsehaut hat mittlerweile Ausmaße eines deftigen Masern-Befalls und schreit mich förmlich an: Steig sofort in dein Auto und fahr zum Ladepark!
Leider war es schon zu spät, das wertvolle Einzelstück war mit seinem Besitzer bereits wieder unterwegs in seine Heimat nach Haan. Ich musste mich daher noch einige Tage gedulden bis der fix ausgemachte Probefahrt-Drehtermin erreicht war. Was für eine Chance, locker ein Jahr vor dem deutschen Marktstart das vielversprechendste Elektroauto der Welt ausgiebig testen zu können.
Das ist für mich der schönste Tesla!
Als Roland mit dem roten Schmuckstück zu unserem Termin an der Seed&Greet Ladepark-Baustelle am Kreuz Hilden auftaucht, bin ich vor Nervosität kurz vor einem Durchfall-Ausbruch. Mein lieber Herr Gesangsverein – sieht das Teil heiß aus! Das Auto sieht in Realität viel besser aus als auf Bildern. Auch meiner Frau Danica entfleucht ein „Das ist für mich der schönste Tesla den ich je gesehen habe!“. Das Model Y ist aufregend, kompakt, leicht gedrungen. Insbesondere durch die Performance Ausstattung wirkt es geradezu martialisch und kraftvoll neben dem filigranen Model S 75D daneben, welches mit seiner Designsprache tatsächlich wie aus dem letzten Jahrzehnt wirkt. Besonders gefällig sind die mattschwarzen Griffe, Seitenblinker und Scheibenrahmen. Endlich kein glänzender Chrome mehr!
Das Model Y basiert zum Großteil auf dem Tesla Model 3, ist dabei aber nicht einfach nur wie eine aufgebockte Abwandlung dessen, wie es zum Beispiel der VW Golf+ zum normalen Golf ist. Der Crossover von Tesla ist deutlich eigenständiger im Auftreten und macht dabei vieles besser was es am Model 3 zu kritisieren gab. Der größte Aspekt ist sicher das Platzangebot und zwar in jeder Hinsicht. Das Model Y bietet mehr Kopffreiheit, mehr Beinfreiheit für die Fondpassagiere, einen leicht größeren Frunk (Front Trunk) und als Highlight einen riesigen Kofferraum, der bis auf 2cm sogar an den des Tesla Model S heranreicht.
Es erscheint fast wie ein Wunder, dass ein aussen kleineres Auto im Innenraum mehr Platz bietet, als ein größeres. Zudem lässt sich der Kofferraum nun auch serienmäßig elektrisch öffnen und schließen, es gibt praktische Aufhängehaken und Entriegelungsknöpe zum Umklappen der hinteren Sitzreihe. Diese lässt sich in drei Stufen zu einer großen Liegefläche ohne Ladekante ausbauen.
Im Innenraum ist das Model Y sehr nach am Model 3. Die gleichen Sitze, das gleiche Lenkrad, das gleiche Armaturenbrett und die gleiche Master Control Unit (MCU2). Der große Bildschirm prangt auch beim Model Y dem Fahrgastraum entgegen und bedient sich gewohnt flott, viel flotter als in meinem Tesla Model S mit der alten MCU1. Auch das Öffnen und Schließen geht genau so hakelig über die aus dem Model 3 bekannten Türgriffe und mit der üblichen Key-Card. Auffällig ist, dass man die Karte an der B-Säule etwas tiefer ranhalten muss, als beim kleinen Bruder.
Das Fahrwerk verzaubert den kleinen SUV zu einem Sportauto.
Nach den ersten Metern am Lenkrad des Model Y Dual Motor Performance habe ich sofort wieder das serienmäßige Grinsen im Gesicht, was es zu jedem Auto von Tesla frei Haus mitgeliefert gibt. Es ist ein waschechter Tesla, sportlich straffes Fahrwerk, unglaublich kraftvolle Beschleunigung und ein tolles Fahrgefühl, insbesondere mit dem neuen One-Pedal-Driving, welches bis zum Stillstand geht. Etwas was meinem Model S leider dank veralteter Hardware nicht gegönnt ist.
Meine Frau vermeldet vom Fond aus einen sehr hohen Sitzkomfort und einen tollen Blick aus dem durchgehenden Panoramadach. Die Oberschenkel liegen deutlich besser auf der Sitzfläche auf, als im Model 3. Die neuerdings in der Neigung verstellbare Rückenlehne im Fond erhöht ebenfalls den Komfort. Überhaupt ist die erhöhte Sitzposition während des Fahrens, als auch beim Ein- und Aussteigen extrem angenehm. Werde ich etwa alt?
Einmal das Strompedal durchgetreten kenne ich die Antwort: Nein, ich bin nicht alt. Ich habe immer noch riesigen Spaß an der explosiven Leistungsentfaltung eines Teslas. Die Performance Version wird ihrem Namen auch völlig gerecht. Das Model Y ist spürbar schneller als mein Model S 75D. Auf dem Papier sind es schlappe 0.7 Sekunden weniger von 0-100km/h, besonders beeindruckend ist jedoch die Durchzugskraft ab 80 aufwärts. Wo dem kleinen Model S schnell die Puste ausgeht, marschiert das Model Y ordentlich durch.
Das Handling des Crossover ist dann aber die größte Überraschung. Das Fahrwerk poltert weniger als im Model 3, glänzt dabei aber trotzdem mit sehr geringem Rollverhalten, zackiger Kurventauglichkeit und komfortabler Alltagstauglichkeit. Dem mechanischen Grip helfen sicher auch die sehr breiten Sportreifen auf den 21 Zoll Felgen dieser Performance Version. Für mich besteht kein Zweifel, mit diesem Auto könnte ich bequem genug Langstrecken absolvieren – auch ohne Rückschmerzen zu bekommen.
Das Model Y ist für mich das beste Auto der Welt.
Das Model Y ist eine richtige Eierlegendewollmilchsau, ein toller Allrounder, der dank optionaler Anhängerkupplung bis zu 1600kg ziehen darf. In Zukunft soll sogar eine dritte Sitzreihe erhältlich sein, die die Anzahl möglicher Passagiere auf sieben Erwachsene anhebt. Wie das allerdings funktionieren soll, ist mir dann doch etwas schleierhaft.
Wer ein schickes, schnelles, praktisches Auto mit toller Ladeinfrastruktur, marktführender Reichweite, sehr üppigem Kofferraum und hinreissendem Fahrkomfort sucht, muss nur noch den stolzen Preis von 58.620€ für die Long Range Variante (505km Reichweite) überwinden. Der Aufpreis für das Performance Paket beträgt 7000€ (480km Reichweite), eine Standard Range Variante für deutlich unter 50.000€ wurde bereits mit 370km Reichweite angekündigt.
Ein Novum beim Tesla Model Y ist die verbaute Wärmepumpe, die die Reichweite spürbar positiv beeinflussen dürfte. Allerdings geht das mir hörbaren Geräuschen einher, da der Kompressor bisher nicht gedämmt ist. Tesla hat hier jedoch bereits Besserung und sogar eine Nachrüstung bereits ausgelieferter Fahrzeuge angekündigt. Während unserer Probefahrt gab es nur eine Situation an einer Ampel, wo ich die Klimaanlage tatsächlich wahrgenommen habe.
Bisher war ich begeistert, jetzt bin ich verliebt!
Tesla führte mit der Mittelklasse-Limousine Model 3 die etablierte Autoindustrie bereits wie einen Stier am Nasenring durch die Arena. Mit dem Crossover Model Y greift man nun eine weitere offene Flanke im wertvollen SUV-Markt an. Die Folgen werden die Autoindustrie meines Erachtens hart treffen, das Tesla Model Y ist für mich das aktuell beste Auto der Welt! Für dieses gelungene und familientaugliche Gesamtkonzept verzichte ich auch gerne auf das eine oder andere perfekte Spaltmaß.