Das batterieelektrische Auto erobert derzeit im Sturm die Welt. Dieser Sturm findet kaum sichtbar in den Büros der Vorstandsetagen der Autokonzerne, deren Entwicklungsabteilungen, bei den Gewerkschaftsvertretern und den Zulieferern der wankende Riesen statt. Der Weg scheint vorgezeichnet von Tesla, dem Brandbeschleuniger der Elektromobilität, dem sich alle gezwungen sehen zu folgen, wollen sie nicht ein Image der ewig Gestrigen riskieren.
Ein Hersteller sticht dabei aus der wabernden Masse des Spektrums zwischen Totalverweigerern wie Ford und den bereits in Richtung des Transformationsprozess eingeschlagenen Firmen wie BMW oder Volvo, heraus. Toyota ist wie ein sich wehrendes gallisches Dorf umzingelt vom Mainstream und versucht altes und neues Denken zusammenzuführen. Es soll eine Art Symbiose sein aus Innovation und Beständigkeit, also ein Hybrid aus zwei gegensätzlichen Zielen, der allerdings auf mich anmutet wie ein iPhone 7 mit Spiralkabel, welches man auf eine Gabel an einer Basisstation legen muss um ein Telefongespräch zu beenden.
Toyota verspricht moderne, saubere Technologie für unsere Mobilität ohne dass sich Kunden zu sehr umgewöhnen müssen. Die Brennstoffzellenautos ermöglichen weiterhin das Tanken von Treibstoff an oligopolen Tankstellen, aufwendige Wartung von komplexer Technik in Werkstätten und die volle Kontrolle der Behörden über Erzeugung, Verkauf und Verbrauch von vermeintlich alternativlosen Verbrauchsmitteln mit hoher Besteuerung. Aus Benzin wird Wasserstoff, aus dem Zapfhahn eine druckfeste Kupplung und aus der Zylinderkopfdichtung wird die Brennstoffzellenmembran. Was es allerdings tatsächlich an Veränderungen gibt, ist das (fast) lautlose Fahren, das glasklare Wasser aus dem Auspuff und die Möglichkeit den „Treibstoff“ nachhaltig herzustellen.
Im Gegensatz zum größten Autobauer der Welt haben die meisten anderen Hersteller in der Automobilindustrie sich bereits entsprechend skeptisch zu den Chancen des Durchbruchs von Brennstoffzellen für PKW geäussert. Zu schnell hat Tesla Akkutechnik, Antriebsleistung und Ladegeschwindigkeit nach vorne getrieben. Es scheint so, als sei die Brennstoffzellentechnik bereits überholt bevor sie den Markt betritt. Warum Toyota trotzdem an dieser Idee mit solcher Vehemenz festhält, haben sie letzte Woche mit dem Vortrag „Toyota vom Hybrid zum ersten Brennstoffzellenauto in Serie“ als Gast in Wuppertal beim Bergischen Energiewende Stammtisch zu erklären versucht.
Mit im Gepäck hatten sie den Toyota Mirai, das erste Serienauto mit Brennstoffzelle. Ich bin der Ansicht, es wird auch das letzte Fahrzeug dieser Kategorie sein. Ich war noch nie ein Fan diese Technologie aufgrund der Komplexität der Technik, der hohen Kosten für Wasserstoff und der schlechten Effizienz der Gesamtkette. Alleine für die nachhaltige Erzeugung eines Kilogramms Wasserstoff sind 60kWh Ökostrom notwendig. Damit fährt der Mirai dann 90-100km. Würde man diese Energie gleich in ein Elektroauto stecken, könnte dieses damit deutlich über 300km weit fahren.
Nehmen wir aber mal an, ich bin hier auf dem völlig falschen Dampfer, die Technologie macht für bestimmte Einsatzbereiche Sinn und wird in absehbarer Zeit simpler und der Wasserstoff preiswerter. Wäre ich dann ein Fan des Mirai? Diese Frage kann ich nach meiner Probefahrt letzte Woche relativ klar beantworten. Vorweg schicken möchte ich, dass Toyota das Pech hatte, mit mir auf einen erfahrenen Elektroautofahrer zu treffen, der genau weiß was mit heutigen Elektroautos alles möglich ist und wie sie sich fahren. Wäre ich einen Benziner oder gar Diesel gewohnt gewesen, hätte mich das Auto vermutlich tatsächlich begeistern können.
Fahrkomfort
Das Auto fährt sich fast wie ein batterieelektrisches Auto. Das Wörtchen „fast“ bezieht sich dabei vor allem auf die Geräuschkulisse. Es ist nämlich alles andere als lautlos, wie ich das von anderen Elektroautos gewohnt bin. Das Auto summt und surrt, man hört Lüfter rauschen und die Geräusche verstärken sich sogar noch, wenn man mehr auf das Strompedal tritt. Wie gesagt, wer vom Diesel kommt, wird sich vermutlich ganz wohl mit den Geräuschen fühlen. Ich würde auch nicht sagen, dass das aufdringlich laut ist, aber doch deutlich hörbarer als mir Elektroautofahrer lieb ist.
Ansonsten ist der Mirai ein würdiges Fortbewegungsmittel, wie man es von einem Hersteller wie Toyota erwarten würde. Solide Verarbeitung, angenehme Materialien, alle Funktionen die man sich wünscht und ein Handling was für die Fahrzeugklasse angemessen ist. Ein bisschen verwirrt haben mich die vielen Einzel-Displays. Mäusekino oben mit mehreren Anzeigebereichen, dann das Navi mit weiteren virtuellen Knöpfen in der Mitte und dann noch in der unteren Konsole das Display für Heizung und Klimaanlage. Sicherlich alles durchaus zum Eingewöhnen geeignet, so wie auch der fehlende Tacho hinterm Lenkrad.
Platzangebot
Das Auto ist riesig oder vielmehr lang, fast so lang wie das Tesla Model S. Dabei allerdings deutlich schmaler, vermutlich um eine kleine Stirnfläche zugunsten guter Aerodynamik zu ermöglichen. Die Länge ist notwendig um Platz für zwei Wasserstoff-Tanks und eine Brennstoffzelle zu bieten. Die Tanks liegen unter dem Kofferraumboden und unter der Rücksitzbank. Es war ein komisches Gefühl auf 700bar hochexplosiven Gas zu sitzen. Toyota beteuerte aber, dass das vollkommen sicher sei. Bei einem Crash verschieben sich die Tanks weiter in das Fahrzeuginnere, alle Crashtests seien erfolgreich gewesen. Zusätzlich sind zwei sensible Wasserstoffsensoren, hinten an den Tanks und vorne an der Antriebseinheit verbaut, die sofort warnen wenn es ein Gasleck gibt.
Die Brennstoffzelle selbst liegt in der Mitte des Fahrzeuges etwa zwischen den Vordersitzen. Der notwendige Pufferakku wurde zwischen Kofferraum und Rückbank platziert, wie es auch schon Ford beim Focus Elektrik oder Renault beim Fluence Z.E. gemacht hat. Wie bei diesen ist auch beim Mirai dadurch der Kofferraum erstaunlich klein, insbesondere im Verhältnis zur opulenten Gesamtlänge des Autos. Dennoch sitzt man auf allen Sitzen hinreichend bequem mit genug Beinfreiheit. Lediglich im Fond ist die Kopffreiheit begrenzt. Viel größer als 1,85m sollte man nicht sein, was der abfallenden Dachlinie geschuldet ist – ein Problem vieler heutiger Automobile.
Leistung
Am meisten enttäuscht war ich von den ca. 155PS, die gefühlt kaum kraftvoller waren als meine lahme Ente Renault ZOE. Natürlich ist insbesondere aus dem Stand dank Elektromotor hinreichend Drehmoment verfügbar, beim Mirai als auch bei meinem ZOE. Wer jedoch einmal Tesla Model S oder zumindest BMW i3 gefahren ist, dürfte von dem rund 80.000€ teuren Auto ebenfalls enttäusch sein.
Drückt man das Strompedal durch (Pedal to the metal), hört man zudem das „Aufheulen“ der Brennstoffzelle, die plötzlich mehr Leistung liefern soll. Dieses Zusammenspiel hat mich sehr stark an den Flair früherer Wandlerautomatiken erinnert. Geräusch und Vortrieb sind beim Mirai genau so entkoppelt, was eine deutlichere Behäbigkeit suggeriert, als es sie in Wirklichkeit gibt.
Fazit
Der Toyota muss sich meines Erachtens aufgrund des Preises und der Größe mit dem Platzhirsch der Elektromobilität, dem Tesla Model S, messen. Dagegen macht der Mirai meines Erachtens eine schlechte Figur. Hochwertige Verarbeitung ist eben nicht alles, es muss sich vor allem toll fahren und Spaß machen. Das habe ich bei der Probefahrt schmerzlich vermisst. Wirklich herausragend ist daher im Grunde nur die kurze Tankzeit, welche mit 3-5 Minuten deutlich kleiner ausfällt als die 30 Minuten die ein Model S am Supercharger braucht um bis 80% Füllgrad zu kommen. Die Frage ist, was brauchen und wollen die Menschen?
Tesla hat vor ein paar Jahren mit Wechselakkus experimentiert. Eine Roboterstation tauschte den Akku innerhalb von 90 Sekunden aus. Für den Vorgang waren $60 zu berappen und man konnte vollgeladen sofort weiterfahren. In der Theorie klang das super, in der Praxis wurden die Tauschstationen so gut wie nie benutzt. Auch Better Place in Israel konnte sich mit derselben Idee für Renault Fluence Fahrer am Markt nicht behaupten und ging pleite. Strom ist zu preiswert und teures Laden/Tanken unsexy! Wenn die Wahl besteht, man lädt ein Auto 30 Minuten an einer Steckdose auf und bezahlt im schlimmsten Fall 20€ oder tankt das Auto mit Wasserstoff in 5 Minuten und bezahlt mindestens 50€, welche Wahl würde der geneigte Leser treffen? Insbesondere auf den Hinblick, dass 80% der Deutschen durchschnittlich weniger als 60km am Tag fahren, ein langes Nachladen also entsprechend selten vorkommt. Ich würde lieber geringere laufende Kosten haben und pro Füllung 30€ sauer verdienten Nettolohn sparen und mich eine halbe Stunde mit Facebook, Netflix oder einem Spaziergang beschäftigen.
Ich halte daher den Einsatz der Brennstoffzelle in PKW für ein Nischenprodukt. Es wird sicher Vertreter, Manager, Politiker und ganz ungeduldige geben, denen jede Minute wichtig ist. Das Gros der Autofahrer dürfte aber ganz andere Schwerpunkte setzen. Es ist trotzdem super, dass sich ein Hersteller mit der Technologie in die Serie traut. Technologieträger müssen nicht immer von Beginn Sinn machen und vielleicht ergeben sich Einsatzmöglichkeiten in anderen Bereichen, die heute noch nicht auf dem Tisch sind. Im Schwerlastverkehr oder der Schifffahrt könnte ich mir die Brennstoffzelle vielleicht noch vorstellen, ansonsten ist es meinen Augen jedoch dann eher eine „FoolCell„.