Meine Frau stöhnte laut auf, als ich ihr von dem gestarteten Experiment erzählte: 30 Tage lang wollte ich unseren Renault ZOE ausschließlich öffentlich laden und die heimische Garage mit der crOhm Ladebox während dieser Zeit komplett ignorieren! Das Laden sollte dabei völlig in unseren mobilen Alltag integriert werden und möglichst keine gefühlte Wartezeit verursachen. Nach den teilweise schlimmen Erfahrungen, die wir auf unseren Langstreckenfahrten machen mussten, war ihre unüberhörbare Reaktion sicherlich nicht ganz ungerechtfertigt. Mein Frau wäre aber nicht sie selbst, würde sie nicht jeden Unfug mitmachen, den ich mir einfallen lasse. 🙂
Durchschnittlicher Verbrauch von 16,1kWh/100km!
Nun sind die 30 Tage vorbei, und ich habe rund 1800km in dieser Zeit zurückgelegt. Der Durchschnittsverbrauch lag auf der gesamten Distanz bei 16.1kWh auf 100km, was einerseits dem guten Wetter und dem daraus resultierenden häufigen Einsatz der Klimaanlage geschuldet ist, andererseits aber auch an meiner manchmal sportlichen Fahrweise und den vielen Höhenmetern hier im Bergischen Land liegt. Mit mehr Disziplin hätte es also sicher noch weniger sein können. Meine Fahrten deckten dabei meinen kompletten typischen Bedarf an Mobilität ab, wie z.B. die Fahrten zum Büro, zum Einkaufen, zum Familien- und Freundesbesuch, für Ausflüge und Erledigungen.
Die Elektromobilität hat meinen Alltag zu keinem Zeitpunkt beeinträchtigt!
Im Testzeitraum habe ich an 19 unterschiedlichen Tagen insgesamt 23 mal geladen, wobei es bei drei Ladeversuchen Probleme gab und der ZOE nur unvollständig geladen werden konnte. Nur ein einziges Mal war überhaupt keine Ladung möglich. Für drei dieser vier problembehafteten Ladeversuche war immer dieselbe Ladestation der WSW verantwortlich. Diese ist recht neu und somit offenbar noch nicht ganz den Kinderschuhen entwachsen. Keiner dieser Fälle führte jedoch dazu, dass ich meinen Alltag nicht hätte bestreiten können! Diese Erkenntnis hat selbst mich positiv überrascht und bestätigt mich eindeutig in meiner Entscheidung für das Elektroauto.
Neben einigen halböffentlichen Ladestationen auf Veranstaltungen nutzte ich primär die vorher beantragten Zugänge von vier Energieversorgern: WSW – Wuppertaler Stadtwerke GmbH, BEW – Bergische Energie- und Wasser-GmbH, SWD – Stadtwerke Düsseldorf AG und RheinEnergie AG in Köln. Die Zugangsarten gestalteten sich unterschiedlich, einerseits basierend auf RFID-Karten (WSW & SWD), andererseits über die Nutzung des Handys. Das sind nicht viele, wenn man bedenkt, dass ich in den letzten vier Monaten insgesamt rund ein Dutzend Zugangsmöglichkeiten bei den verschiedenen Anbietern angesammelt habe. Ich hoffe inständig, dass Hubject bald kommt und auch alle Anbieter in Europa daran teilnehmen!
Die Stromkosten für die 1800km betragen 0€!
Alle vier in den 30 Tagen von mir genutzten Anbieter hatten gemein, dass sie den geladenen Strom nicht berechneten. Für viele Energieversorger lohnt sich derzeit die Abrechnung nicht, da die Ladesäulen noch zu wenig genutzt werden. Manche wollen vielleicht auch bewusst ein grünes Image pflegen und die Elektromobilität fördern. Andere wiederum wollen erstmal alle Kinderkrankheiten mit der Technik ausmerzen und bedanken sich in dieser Form bei den testenden Kunden. Mit meinem alten Auto mit konventionellem Antrieb wären es für die 1800km rund 210 Euro für Super Benzin gewesen. Hätte ich den Strom bezahlen müssen, wären gerade mal 92 Euro fällig geworden. Das sind 118 Euro weniger als mit Benzin und hätte dicke für die Akkumiete (102€) von Renault gelangt. Die 1800 absolvierten Kilometer haben mich allerdings exakt 0 Euro gekostet. Auf das Jahr gerechnet dürfte ein schöner Urlaub dabei rumkommen – da nehme ich als Pionier der Elektromobilität doch gerne kleine Kompromisse in Kauf. 🙂
Klar sollte sein, dass das nicht ewig so bleiben wird. Just ab diesen Monat (Oktober 2013) beginnt zum Beispiel die BEW mit der Abrechnung. Ein mutiger Schritt, gibt es doch mit der Infrastruktur noch die einen oder anderen Probleme! Fließt bereits Geld, erwartet man als Kunde eine professionell betriebene und absolut zuverlässige Infrastruktur. Ob dieses Versprechen eingehalten werden kann, wird sich in den nächsten Monaten zeigen! Andere Anbieter haben bereits signalisiert, dass es noch keine absehbaren Pläne für eine Beendigung des Testbetriebes gibt. Früheinsteiger können also nach wie vor von noch höheren Kostenvorteilen profitieren, als sie die Elektromobilität eh schon bietet!
Elektromobilität ist absolut alltagstauglich!
Mein Fazit aus den 30 Tagen ist absolut positiv, und ich habe es in keiner Sekunde bereut! Elektromobilität kann bereits heute absolut alltagstauglich sein. Alles was man dazu braucht, ist ein bisschen Kompromissbereitschaft. Es bedarf keiner präzisen Planung der Fahrten fünf Tage im voraus. Ein grober Überblick über die nächsten zwei Tage reicht völlig, zumindest mit einem Elektroauto mit Schnelllader, wie ihn der ZOE hat. Selbst überraschende Fahrten sind damit mit kleinem Zeitverzug (unter einer Stunde) problemlos möglich. Die öffentlichen Ladestationen haben sich weitgehend als zuverlässig herausgestellt. Im städtischen Bereich sind alternative Ladepunkte nicht weit und dadurch die Auswirkungen durch einzelne Defekte minimal. Schöner wäre es jedoch, wenn es noch mehr Ladesäulen geben würde – vor allem großflächiger verteilt. Das würde die Integration in den Alltag noch leichter machen und die Elektromobilität einem noch größeren Teil der Bevölkerung eröffnen. Im Rhein-Ruhr-Gebiet können wir uns wahrlich nicht beschweren, was die Anzahl an öffentlichen Ladestationen angeht. Meine Erfahrungen lassen sich daher nicht auf alle Teile der Republik übertragen. Es zeigt aber, dass sich der Ausbau in eine dichte Infrastruktur absolut lohnt und ein Elektroauto nicht nur für privilegierte Eigenheim-Besitzer mit festem Stellplatz oder eigener Garage nutzbar ist. Selbstverständlich ein Elektroauto vorausgesetzt, welches die moderne Wechselstrom-Schnelllade-Infrastruktur auch nutzen kann. Dazu gehören aktuell nur der Smart ED (mit Schnelllader-Option), die Fahrzeuge von Tesla und natürlich der Renault ZOE!
Abschließend möchte ich sagen, dass meine positiven Erfahrungen auf meinem Lebensstil und meiner Umgebung beruhen. Ich bin flexibel, ich will die Elektromobilität, ich will mich nachhaltig fortbewegen, meine Fahrten variieren sehr stark und streifen dabei immer wieder Gebiete mit gut ausgebauter Lade-Infrastruktur, ich habe Spaß an der Sache, und ich habe eine Ehefrau, die die Entscheidung zur Elektromobilität mitträgt. Menschen, die sich hier nicht wiederfinden, sollten nur dann zum Elektroauto greifen, wenn sie eine Garage oder einen festen Stellplatz haben, an dem sie gegebenenfalls jede Nacht ihr Auto laden können.
Last but not least: Danke an alle treuen und neuen Leser, vor allem an die, die mich mit Kommentaren und Mails immer wieder motiviert haben. Danke auch an die Energieversorger für den kostenlosen Strom der letzten und kommenden Monate. Ganz besonderen Dank aber an meine Frau für ihr Verständnis und für den Verzicht auf mich, damit ich all diese Artikel schreiben konnte – sie ist das Beste, was mir je passiert ist!
Und damit es nicht langweilig wird hier im Blog, ist bereits die nächste Tour geplant. Nachdem es hier ja um den mobilen Alltag ging, wollen wir morgen das erste Mal mit dem ZOE ins Ausland fahren und damit mal wieder eine Langstrecke absolvieren. Wir fahren an die niederländische Nordsee nach Den Haag – Scheveningen! Man darf uns also die Daumen drücken, ob mit dem Roaming im Ausland alles funktionieren wird. 🙂
Edit 24.12.2018: In 2018 habe ich ein EVlogmas mit meiner Frau gemacht, in dem wir in jeder Folge einen Rückblick auf 5 Jahre zuvor geführt und die Experiment-Alltag Blog Artikel am Ende jedes Vlogmas, vorgelesen haben.