Ein Elektroauto ist auch nur ein Auto, könnte man sagen. Viele Reifen-Hersteller bedienen allerdings die neue Antriebstechnik mit speziell auf Elektroautos optimierte Reifen-Modelle. So stellte Hankook das Modell ION auf der Essen Motorshow 2022 vor. Roland Hehner (Direktor Vertrieb) erklärt mir im Gespräch, welche Vorteile ein Spezial-Reifen bietet.
Der Reifen auf einem elektrischen PKW soll im trockenen guten Gripp bieten, gleichzeitig auch bei Nässe akzeptabel funktionieren, leise abrollen, möglichst verschleißarm sein, günstig herzustellen sein und dabei auch noch gut aussehen. Im Grunde sind das wohl genau die selben Anforderungen die wir schon immer an Reifen hatten.
Jeder Reifen ist rund, schwarz, aus Gummi und hat irgendein Profil um Wasser verdrängen und Aquaplaning vermeiden zu können. Was so einfach klingt, ist eine extrem ausgefeilte hochtechnisierte Wissenschaft geworden. Große Sprünge gibt es nach Jahrzehnten der Forschung kaum noch, da fällt Differenzierung zum Wettbewerb äusserst schwer.
Schaut man dementsprechend genau hin, haben Hersteller die vergangenen Jahrzehnte Spezialisierungen nach individuellen Kundenbedürfnissen auf den Markt gebracht. Damit lässt sich für jede Vorliebe ganz passgenau ein Reifen finden. Das runde Gummi soll besonders den Verbrauch schonen? Dann kaufen Sie bitte gerne das Eco-Modell. Das Handling im Trockenen soll möglichst gut sein für den Ausflug auf der sonnigen Landstraße am Sonntagmittag im Cabrio? Dann kaufen Sie bitte das Sport-Modell.
Es lässt sich schon erahnen, die Eierlegendewollmilchsau gibt es nicht! Was den Reifen besonders sparsam macht, lässt ihn weniger ideal haften. Die Physik lässt sich leider nicht austricksen. Der Reifen-Spagat für das Elektroauto betont die typischen Bedürfnisse eines umweltbewussten Konsumenten.
Das schwarze Gold darf gerne etwas leiser als üblich sein, weil es keinen übertönenden Verbrennungsmotor gibt. Da jeder Kilometer Reichweite teuer in der Entwicklung des Autos erkauft wird, sollte ein Reifen diese nicht gedankenlos auf dem Asphalt opfern. Elektroautos sind ausserdem Leistungsstark und etwas schwerer als Verbrenner, also soll der Reifen nicht vorschnell wegradieren und das Drehmoment ohne Schlupf übertragen können.
Dazu nutzen die Hersteller mit aufwendigen Entwicklungs- und Herstellungsmethoden jeden Trick den sie finden können. Zum Beispiel werden schalldämpfende Schaumstoffeinlagen in das Innere der Reifen eingearbeitet. Große Profilflächen helfen der Stabilität und Kraftübertragung und minimalistische Schraffierungen dienen als Noise-Cancelling Technik und brechen Schallwellen auf oder erzeugen an den richtigen Stellen eine Art Gegen-Schall um Übertragungen von Laufgeräuschen auf Karosserie und Innenraum zu mindern.
Viele große Premium-Marken haben sich der Elektromobilität mit spezialisierten Produkten angenommen und zwar für Winter- als auch Sommerreifen. Kann man diese auch auf normalen PKW mit Verbrennungsmotor fahren? Selbstverständlich, wenn man auch dort wert auf genannte Merkmale legt. Kann man auf einem Elektroauto auch einen konventionellen Sport-Reifen fahren? Natürlich, wenn man den Fokus auf das höchste Gripp-Niveau legt.
Hier gilt das Prinzip: Alles kann, nichts muss! Es kommt auf die persönlichen Bedürfnisse an, ob man sich eher in der Zielgruppe eines typischen Elektroauto-Fahrers sieht, oder eben nicht. Wer auf Höchstleistungen grundsätzlich gut verzichten kann, nimmt am besten gleich einen Allwetter- Reifen der im Sommer und Winter gefahren werden kann. So spart man nicht nur ordentlich Geld für einen zweiten Reifensatz und das lästige Wechseln zweimal im Jahr, sondern auch deutlich Ressourcen und Umwelteinflüsse. Auch diese kommen übrigens mittlerweile in speziellen Varianten für geneigte Elektroautofahrer – lasst uns zusammen die Welt retten!