Zur Zeit herrscht ein regelrechter Hype um das neue Elektroauto von Hyundai, den Ioniq Electric. Da ich bisher Hyundai als Marke eher skeptisch gegenüber stand, hatte ich zugegebenermaßen gewisse Vorbehalte. Im Netz ist allerdings überall eine deutlich wahrzunehmende Begeisterung zu spüren, die mich stark an den Hype des ZOE vor vier Jahren erinnert. Daher beschloss ich kurzerhand mir selbst ein konkretes Bild zu dem Ioniq Electric zu machen. Eine Probefahrt war beim Händler in der Nähe (Autohaus Ludorf) schnell und vor allem unkompliziert vereinbart, so dass wir vergangenen Samstag das Auto für eine zweistündige Probefahrt entführen konnten. Den Ausflug haben wir natürlich auch mit der Kamera festgehalten: Probefahrt, Testbericht, Mini Roadtrip mit Hyundai Ioniq Electric und Vergleich mit Renault ZOE

Optik

Von aussen erinnert der Ioniq insgesamt an den ersten Opel Ampera, hat aber leider nichts mit dessen Front gemeinsam. Die Nase des Ioniq Electric ist in meinen Augen nahezu unerträglich. Warum Hyundai dem statt eines Grills eingesetzten Plastikelement keine Lackierung gegönnt hat, ist mir unbegreiflich. Auch dem Herstellerlogo vorne, welches lediglich aus einem bedruckten Stück Plexiglas besteht, kann ich beim besten Willen nichts abgewinnen. Der Händler klärte mich nach der Probefahrt auf, dass neuerdings hinter den Logos das Radar für den Fahrassistenten versteckt ist. Auch wenn es zumindest eine gewisse Funktion erfüllt: Das geht sicherlich besser!

Hyundai_Ioniq_Electric_vorne_TripleCharger

Hyundai Ioniq Electric am Triple Charger

Das Interieur ist etwas überfrachtet mit Knöpfen, aber ansonsten ganz gefällig und vor allem von der Haptik sehr hochwertig. Die Materialien sind deutlich angenehmer als die im Renault ZOE. Wie bei dem Franzosen gibt es in dem Koreaner ein in sich stimmiges Farbkonzept. Bei dem Testfahrzeug finden sich überall innen wie aussen Bronzefarbene Applikationen wieder. Insgesamt tun sich beide Fahrzeuge nichts, der Ioniq hat die verbesserungswürdige Nase, der ZOE das begrenzt attraktive Heck. Positiv anzumerken und somit Zünglein an der Waage ist, dass der Ioniq deutlich mehr Platz im Innenraum bietet.

Reichweite und Verbrauch

Der Hyundai hat eine Akkukapazität von 28kWh und somit im Vergleich zu meinem ZOE (Q210) 6kWh mehr bzw. 12kWh weniger als das aktuelle ZOE-Facelift (R400). Laut den Werbeprospekten sind anhand dieser Zahlen die Reichweitenangaben nachvollziehbar (210km vs. 280km). Konkret überprüfen konnte ich diese in den zwei Stunden nicht. Was aber überaus erstaunlich war, ist der deutlich niedrigere Verbrauch des Ioniq. Fahre ich beim Zoe zwischen 17 und 20kWh pro 100km (je nach Jahreszeit), bin ich bei der Probefahrt mit dem Ioniq nicht über 14kWh gekommen und das ohne Eco-Modus und mit ziemlich sportlicher Fahrweise. Ich gehe daher davon aus, dass der Ioniq deutlich weniger Differenz zwischen dem NEFZ Messwert und der realen Reichweite hat. Da fällt der ZOE tatsächlich relativ negativ auf und erreicht im Winter bei mir ca. 110km und im Sommer mit viel gutem Willen die 150km.

Hyundai_Ioniq_Electric_Seite_ICCB

Hyundai Ioniq Electric an der ICCB (SchuKo)

Die hohe Effizienz, welche bei den Ioniq-Fans ganz oben auf der Haben-Liste steht, konnte ich also durchaus bestätigen. Gründe dafür liegen vermutlich in der relativ niedrigen Gesamthöhe des Fahrzeuges, einem niedrigen Rollwiderstand, einem guten CW-Wert und einem offensichtlich effizienten Antrieb mit wenig Verlustleistung. In dieser Disziplin punktet also auch wieder der Ioniq und macht mich schon etwas neidisch auf die damit einhergehende gute Alltags- und Reisetauglichkeit.

Ladetechnik

Hyundai stattet den Ioniq Electric mit dem CCS-Ladestandard (Gleichstrom) aus und hält sich somit an den gesetzten europäischen Schnellladestecker. Der ZOE verwendet den Typ2-Stecker mit 43kW Ladeleistung (Wechselstrom), der wohl langfristig wie der CHAdeMO-Standard keine Zukunft haben dürfte. Während aber nun der Wettbewerb CCS lediglich mit 50kW Leistung unterstützt, gehen die Koreaner trotz des relativ kleinen Akkus einen Schritt weiter und lassen 70kW zu, sofern die in Deutschland noch rar gesäten CCS-Charger überhaupt soviel liefern können. Damit hebt sich der Ioniq nicht nur von dem ZOE, sondern der gesamten Konkurrenz (außer Tesla) ab.

Hyundai_Ioniq_Electric_hinten_TripleCharger

Hyundai Ioniq Electric am TripleCharger

Renault geht aktuell tatsächlich den umgekehrten Weg und bietet im aktuellen ZOE weniger Ladeleistung als bisher an. Erlaubt sind nur noch 22kW was bedeutet, dass sich durch die Halbierung der Leistung und Verdopplung des Akkus die Ladezeit vervierfacht. Das führt dazu, dass der neue ZOE im Reisezeitenvergleich keinen Deut besser ist als mein vier Jahre altes Modell. Klingt bescheuert, ist aber so! 🙁

Preis

Der aktuelle ZOE als auch Ioniq ist laut Liste ab 33.000€ (mit Kaufakku) zu haben. Während es bei Renault dafür (laut Prospekt) knapp ein Drittel mehr Reichweite gibt, bietet der Hyundai die deutlich hochwertigere und umfangreichere Ausstattung. Je nachdem was einem wichtiger ist, kann man den Schwerpunkt also je nach Belieben verlagern. Da ich bisher selbst im Winter mit 110km zurecht komme, dürfte klar sein, dass ich mich im Zweifel für das Mehr an Ausstattung und Platz entscheiden würde.

Most bang for your bucks!

Fazit

Quasi alle Disziplinen konnte der Ioniq im direkten Vergleich mit dem ZOE für sich gewinnen. Einziger Wehrmutstropfen ist die fehlende Möglichkeit der zügigen Wechselstrom-Ladung (22kW) und die in meinen Augen potthässliche Nase. Da aber im Prinzip bei mir „form follows function“ gilt, würde ich als klaren – für mich überraschenden – Sieger den Hyundai Ioniq küren. Wenn ich also jetzt gerade nicht sehnsüchtig auf mein reserviertes Model 3 warten würde, könnte ich tatsächlich schwach werden und meine geliebte Französin gegen einen spröden Koreaner eintauschen.

Wer aktuell mit einer Entscheidung zum Elektroauto ringt, sollte sich dringend den Ioniq ansehen, er ist meines Erachtens derzeit eines der besten Elektroautos auf dem Markt und bietet ein sehr attraktives Preis-Leistungs-Verhältnis – zumindest bis 2018 das Model 3 von Tesla seinen Weg nach Deutschland finden wird. 😉