Die Facebook-Seite W-EMOBIL100 ist eine meiner Lieblingsinformationsquellen, wenn es um Nachrichten, Alltagsberichte und Diskussionen rund um die Elektromobilität geht. Schließlich wurde ich durch diese Wuppertaler Initiative „Opfer“ des Elektroautos, was ich trotz einiger mittlerweile weitgehend ausgeräumter Stolpersteine nie bereut habe. Diese Woche stieß ich auf einen praxisnahen und sachlichen Erfahrungsbericht von Stefan Kirschner von der Emil Schmidt GmbH aus Solingen. Er besticht durch echte Alltagserfahrung eines Gewerbebetriebes (Werkzeug für das Bäckerhandwerk) mit der Elektromobilität und bleibt trotz aller Begeisterung auch bei den Schattenseiten ehrlich.

Da ich gerne immer wieder mal Gastartikel veröffentliche, schrieb ich Stefan sofort an, ob er mit einer Veröffentlichung in meinem Blog einverstanden ist. Ich freue mich sehr, dass er nichts dagegen hatte, danke ihm recht herzlich und entlasse euch nun in seinen sehr lesenswerten Bericht:

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Unser erstes Jahr mit dem E-Mobil – ein Resumée

Ein Jahr ist „Elmo“ (ELektroMObil) jetzt bei uns. 2014 haben auch wir uns mit dem E-Mobilitäts-Fieber angesteckt – nicht zuletzt dank der Beratungen eines bekannten Hildener Großbäckers und bekennenden E-Mobilisten. Nach ein paar Wochen Recherche und einer Testfahrt war der richtige Kandidat gefunden, um unseren alternden Diesel-Transporter zu ersetzen. Der Nissan e-NV200 erschien uns als vollwertiger Lieferwagen mit ausreichend Zuladung, großem Laderaum und ein paar praktischen Helferlein (2 Schiebetüren, Verzurrösen etc.).

In dem einen Jahr haben wir über 4.500 km mit „Elmo“ abgerissen – und das fast ausschließlich im Stadtgebiet. Für einen Lieferwagen bietet er guten Komfort und er wird von allen gern gefahren. Der leise und spritzige Antrieb schlägt den alten Träcker-Diesel des Vorgänger-Transporters locker, den vermisst niemand mehr. Das Aufladen des Akkus ist absolut problemlos. Aufgrund des lokalen Einsatzes haben wir unseren Nissan bislang ausschließlich an unserer firmeneigenen Wallbox aufgeladen. Von einer Test-Chademo-Ladung beim o.g. Bäckereibetrieb abgesehen. Bei uns dauert so ein Vorgang im Schnitt 3 Stunden je nach Rest-Ladezustand des Akkus (meistens laden wir bei ca. 20% Rest-Akku) und wir kommen mit durchschnittlich 2 Ladevorgängen pro Woche aus.

Was wir in diesem einen Jahr festgestellt haben: die praktische Durchführung der E-Mobilität ist eine sehr komplexe und emotionale Angelegenheit. Dazu ein paar Ausführungen:

Als E-Mobilist steht man immer im Mittelpunkt.

Ob Fußgänger, die interessiert die Aufschrift auf unserem parkenden Nissan lesen oder dem lautlosen Anfahren „lauschen“ oder Lieferanten, denen man jede Frage gern beantwortet – das Interesse und der Beratungsbedarf sind hoch! Klar ist da auch manch blöder Spruch dabei. „Kommen Sie denn voll beladen überhaupt nach Hause?“ oder „Schafft der das überhaupt?“ sind wohl die häufigsten. Aber spätestens beim Antritt oder bei Erwähnung der eingesparten Kosten verstummen die meisten Kritiker. Und mal ehrlich, wir EMobilisten informieren doch gerne!

Das Problem mit der Reichweite…

Diesbezüglich sind wir ganz ehrlich etwas enttäuscht! Gut, dass die im Katalog angegebenen 165 km maximale Reichweite genauso gepfuscht sind wie der Normverbrauch eines Verbrenners, war uns klar. Aber die Erfahrungswerte des ersten Jahres sind ernüchternd. Maximale angezeigte Reichweite bei frisch aufgeladener Batterie: 138 km. Im Schnitt eher zwischen 100 und 110 km. Bei eingeschalteter Heizung/Klimaanlage und im Eco-Modus. Durchschnittlich tatsächlich gefahrene Strecke mit einer Ladung ( bis Restladung 20% der Batterie): 60 km. Das bedeutet eine erhebliche Differenz zwischen der angezeigten Reichweite und der tatsächlich gefahrenen Strecke. Für 10 gefahrene Kilometer schrumpft die Anzeige um teils mehr als 20 km. Das finden wir nicht akzeptabel und das dürfte Wasser auf die Mühlen der Kritiker sein, die ein E-Mobil für den privaten Gebrauch aufgrund der Reichweite ablehnen. Die Reichweitenanzeige im BMW i3 oder auch im e-Golf erschien uns bei Testfahrten da deutlich zuverlässiger. Allerdings fallen uns für diese Situation 3 mögliche Begründungen ein:

  1. Die Aerodynamik des Lieferwagens: Verglichen mit der Limousinenform eines Teslas oderauch eines e-Golfs ist die Karosserie des Lieferwagens aerodynamisch ungünstig. Vom Luftwiederstand wird hier die Reichweite nicht profitieren.
  2. Beladung: Die maximal mögliche Zuladung des e-NV200 beträgt ca. 600 kg. Voll ausgenutzt haben wir diese Zuladung bislang nicht, unsere höchste Zuladung betrug ca. 450 kg. Trotzdem hat ein Lieferwagen in der Regel natürlich mehr Gewicht an Bord als ein PKW. Auch das mag sich ungünstig auf die Reichweite auswirken.
  3. Solingens Topographie: Die Stadt Solingen liegt verteilt auf Hügeln und Tälern. Sobald man einen Berg herunter gefahren und durch Rekuperation wertvolle Kilometer auf der Anzeige gewonnen hat, muss man den nächsten Berg mit durchgetretenem Gaspedal schon wieder herauf. Die frisch gewonnene Reichweite verpufft sofort wieder.

Unser Fazit:

Für uns ist die E-Mobilität ein unverzichtbarer Schritt in eine nachhaltige und umweltfreundliche Zukunft und Firmenpolitik. „Elmo“ hat uns trotz der Reichweiten-Schwäche für den regionalen Fahrbetrieb überzeugt. Einen reinen Verbrenner anzuschaffen kommt für unseren Fuhrpark in Zukunft nicht mehr in Frage. Ziel ist es nun, nach Ablauf der Verträge unserer vorhandenen Dienstfahrzeuge, den gesamten Fuhrpark auf Plug-In-Hybride oder besser noch reine E-Mobile umzustellen. Das eine Jahr in der Praxis hat uns die Komplexität des Themas bewusst gemacht und uns eins gezeigt: noch ist die E-Mobilität etwas für Idealisten und Firmen. Nach unseren Erfahrungen mit der Reichweite in topographisch ungünstigem Gebiet und den leider noch immer viel zu hohen Anschaffungspreisen der Elektroautos im Vergleich zu den Verbrennern, ist das Thema für den Privatmann durchaus kritisch zu betrachten. Um ungehindert und jederzeit nach Bedarf laden zu können, braucht man eine eigene Ladesäule Zuhause oder am Arbeitsplatz – dort wo das Auto am längsten steht. Um wirklich umweltfreundlich unterwegs zu sein, braucht es dazu auch Ökostrom, idealerweise von der eigenen Photovoltaik-Anlage. Hat man diese Möglichkeiten z.B. aufgrund einer Mietwohnung nicht, kann das in Verbindung mit der in der Realität teils recht geringen Reichweite und der in Deutschland rudimentär entwickelten Ladeinfrastruktur zum Hindernis werden. Die momentan vielversprechendste Zielgruppe für die E-Mobilität sind Firmen: Genug Platz und Kapital für die Investition in eine Wallbox oder bestenfalls sogar eine Solaranlage, der hohe Anschaffungspreis des Autos stört aufgrund dieses Kapitals oder Leasingraten für Dienstwagen weniger und ein elektrischer Fuhrpark senkt die Kosten für Wartung, Reparaturen, Versicherungen und Kfz-Steuern deutlich. Mittelständische Unternehmen wie wir, Handwerksbetriebe oder Pflegedienste, die sich i.d.R. nicht weit von ihrem Standort entfernen, hauptsächlich Kurzstrecken fahren und mehrmals täglich an ihre Basis zurückkehren, sind prädestiniert für den Umstieg auf Elektroautos. Zumindest solange, bis die Reichweiten der angebotenen Elektroautos deutlich steigen und die Preise sinken – sodass auch der Privatmann nicht mehr an der Überlegung vorbei kommt.

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